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Pokémon-Predigt


Die Welt ist im Pokémon-Wahn! Nintendo hat ein neues Spiel herausgebracht, das seit zwei Wochen auf dem Markt, bzw. auf den Handies ist: Pokémon Go. In Deutschland ist es seit ungefähr einer Woche erhältlich und kann ganz kostenfrei aufs Handy geladen und gespielt werden. Dabei geht es darum, kleine virtuelle Monster zu finden und einzufangen. Das Handy schaltet mit der eingebauten Kamera dabei auf die wirkliche Umgebung um, um anzuzeigen, wo sich solch ein Pokémon gerade befindet. Diese eingefangenen Pokémons kann man auch in einer Arena kämpfen lassen.


Hier bei uns verläuft alles, wie ich finde, noch sehr zurückhaltend. Aber ich habe schon Bilder aus unseren Großstädten gesehen, wo ganz viele Menschen mit dem Handy vor der Nase durch die Gegend irren – auf der Suche nach Pokémons. Die Begeisterung für dieses Spiel ist so groß, dass bisweilen sogar das Internet lahmgelegt wird.

 

BBC online berichtete am letzten Sonntag von Tom Currie, einem Mann aus Neu-Seeland, der seine Arbeit gekündigt hat – um mehr Zeit für die Pokémonjagt zu haben. Er arbeitete als Barmann in einem Restaurant an der Hibiscus Küste in der Nähe von Auckland, hat aber beschlossen, jetzt lieber vollzeit Pokémon Go zu spielen. Tom Currie gab zu, dass seine Eltern schon ein bisschen perplex waren, als sie davon erfuhren. Er verlässt sich trotzdem darauf, dass Freunde und Familie aushelfen werden.

 

Tja, und dann gibt es natürlich diejeigen, die mit so einem Handyspiel gar nichts am Hut haben. „Kinderkram“, „Ihr seid verrückt“, "Da mach‘ ich nicht mit“, sind alles Dinge, die ich schon gehört habe.


Aber bleiben wir erstmal bei denen, die so vernarrt in das Spiel sind wie besagter Tom Currie:

Dieses Szenario erinnert mich nämlich an die ersten Jünger, die Jesus berufen hat und an die Zeit, als die Sache Jesu gerade erst losging. Die haben auch alles stehen und liegenlassen um Jesus nachzufolgen. Da war die Sicherung der Existenz auch plötzlich egal. „Lasst die Toten ihre Toten begraben“, war das Motto. Die Jünger sind auf und davon und haben Arbeit und Familie einfach zurückgelassen. Und diese Sache Jesu, von der die Jünger so begeistert waren, zog immer weitere Kreise, erreichte immer mehr Menschen. Die Israeliten, die Griechen, die Römer – alle im Jesus-Wahn. Selbst vor Paulus machte diese Begeisterungswelle nicht halt, obwohl er doch einer war, der die Christen verfolgte. Paulus wird angesteckt vom Jesus-Virus und singt nur noch Lobeshymnen auf ihn und auf den christlichen Glauben. Von einer „überwältigenden Erkenntnis“ schreibt er an die christliche Gemeinde in Philippi (Philipper 3, 7-11). „Das Einzige, was zählt, ist: Christus zu gewinnen“, sind seine Worte. Paulus ist so hin und weg von Jesus, dass er sogar „an seinem Leiden teilhaben möchte – bis dahin, dass er ihm im Tod gleich werde“.

Das klingt, Entschuldigung, ähnlich durchgeknallt, wie bei dem Barmann der seinen Job hinschmeißt, damit er seine ganze Zeit den Pokémons widmen kann. Und: Auch damals, zur Zeit der ersten Christen, gab es Leute, die zu den Christen gesagt haben: Das ist totaler Quatsch, da mach‘ ich nicht mit. Leute, die absolut dagegen waren. So wie Paulus am Anfang.

 

Solch ein Handy-Spiel und die Begeisterung für das Christentum damals haben etwas gemeinsam: Beide versprechen, dass man einer Welt entfliehen kann, die sehr viel Leid, Gewalt, Verlust, Trauer und Tod bereithält - so wie der Amoklauf von München zum Beispiel. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass es beim Christentum um das wahre Leben geht und nicht um eine virtuelle Welt. Christlicher Glaube ist nicht nur eine Fluchtmöglichkeit sondern sehr viel mehr. Christlicher Glaube gibt uns die Möglichkeit, die reale Welt wirklich zu verändern. Bei einem Handyspiel geht das nicht. Da können wir höchstens eine Welt verändern, die nur auf unseren Smartphones existiert.

 

Was bei mir jetzt natürlich hochkommt, ist ein gewisser Neid. Ich stelle unweigerlich die Frage: Was hat Pokémon Go, was Christentum nicht hat? Natürlich wünsche ich mir nichts sehnlicher als eine Kirche, die genauso viel begeisterten Zulauf hat wie die Pokémon Arenen auf unserer Insel. Ich wünsche mir, dass junge und alte Leute, Frauen, Männer, Mädchen und Jungen mit vor Aufregung geröteten Wangen in die Kirchen kommen und sagen: "Oh guck mal, da sind wieder welche: Christen! Da müssen wir unbedingt hin! Da wollen wir unbedingt dazugehören!"

 

Was hat Pokémon Go, was Christentum nicht hat?

Es ist neu; es ist süß; es ist lustig; es lockt die Menschen in eine wunderschöne Fantasiewelt und lässt sie den Terror der Realität vergessen; es kostet nichts; es ist Abenteuer; es macht Spaß.

 

Christentum dagegen ist nicht wirklich neu. Manche bezeichnen es sogar als verstaubt. Christentum empfinden viele als zu ernst und zu starr. Christentum bietet keine schöne Scheinwelt sondern zwingt uns dazu, uns mit der Realität auseinader zu setzen. Wir können nicht einfach wegsehen und hoffen, dass all das Schlimme von alleine verschwindet, wenn wir es nur nicht beachten. Christentum ist teuer, denn es verlangt uns eine Menge ab. Ständig sind wir aufgefordert, etwas zu geben: Unsere Zeit, unser Geld, unsere Kreartivität, unsere Kraft, unser Können und unsere Begabungen, unsere Geduld, unsere Liebe, unseren Respekt, .... die Liste ist lang. Gegenleistung gibt’s auch nicht. Es gibt nichtmal eine Weiterentwicklung zum nächsten Level, mit der wir angeben könnten.

Und trotzdem gibt es weltweit über  2 Milliarden Christen. Deutlich mehr als Pokémon Go Spieler! Und das nach immerhin 2000 Jahren Christentum!

 

Ich glaube kaum, dass Pokémon Go so lange durchhält. Um ganz ehrlich zu sein, gebe ich diesem Spiel ein paar Jahre. Wenn Nintendo clever ist und es gut weiterentwickelt, dann vielleicht sogar ein Jahrzehnt, denn irgendwann werden auch die tollsten Spiele langweilig, weil sie nichts neues mehr zu bieten haben.

 

Hat chrislicher Glaube eigentlich auch nicht. Christlicher Glaube hat ziemlich alte Wahrheiten zu bieten. Die gibt es schon sehr lange. Die müssen aber auch nicht neu erfunden werden. Die müssen nicht weiterentwickelt werden, um die Menschen bei Laune zu halten. Ist schon versucht worden und funktioniert nicht. Ich habe in den USA Kirchen besucht, die besonders anders und besonders cool diese christlichen Wahrheiten unter die Leute bringen wollten. Für ein paar Jahre hatten sie immensen Zulauf, wurden zu sogenannten Mega-Churches. Und dann wanderten die Mitglieder ab, weil ihnen die Tiefe fehlte. Das Ganze war zu oberflächlich.

 

Ich hatte mal mit einer Frau zu tun, die von ihrem Ehemann misshandelt wurde. Eine Anzeige bei der Polizei hat nichts gebracht trotz der Beweise: viele blaue Flecken und ein ordentliches Veilchen. Ihre Eltern haben ihr nicht geglaubt. Aber irgendwohin musste sie mit ihrem Kummer, ihrer Angst und ihrer Hilflosigkeit. Also ging sie zu einer dieser riesigen Kirchen, in der jeden Sonntag 2000 Leute in den Gottesdienst gingen. Diese Kirche muss ja gut sein, wenn da so viele Leute hingehen, oder?

Was passierte, war, dass man sie in ein sogenanntes Missionierungsprogramm steckte und ihr Kurse anbot, die ganz viel Theologie und Bibelkunde vermittelten. Was sie aber brauchte, war etwas ganz anderes: Jemand der einfach nur zuhörte, jemand, bei dem sie sich alles von der Seele reden konnte. Also rief sie mich an, weil sie von ihrem Vater gehört hatte, dass in seiner Gemeinde eine ganz nette Pastorin war.

 

Was ich damals gelernt habe: Authentisch sein ist für uns Christinnen und Christen wichtig. Ehrlich sein, ist wichtig.  Die Menschen um uns herum wahrnehmen und ernstnehmen, ist wichtig. Zu dem stehen, was wir glauben und so wie Paulus nicht schämen, unsere Begeisterung für Christus in aller Öffentlichkeit zu zeigen, ist wichtig.

 

 

Irgendwann  wird man Pokémon Go nicht mehr spielen können, weil die Handies so weit entwickelt sind, dass so ein altes Spiel sich auf den neuen Geräten nicht mehr spielen lässt. Dann gibt es eben etwas neues. Christentum passt immer, egal wohin die Welt sich entwickelt. Auch wenn die Inhalte der Bibel aus einer Zeit stammen, die lange, lange her ist, passen die Erfahrungen, die die Menschen damals mit Gott gemacht haben, sehr gut auch in unsere Zeit. Die Werte, die vermittelt werden haben heute mehr Gültigkeit denn je. Wir müssen sie nur verständlich rüberbringen. Und wenn wir diese Wahrheiten und Werte auch noch ansprechend verpasckt kriegen, dann dürfte es auch nicht so schwer sein, die Gute Nachricht“ von der Liebe Gottes unter die Leute zu bringen.


Ich hatte am Mittwoch mal ganz flappsig die Frage gestellt, ob  Jesus heute wohl Gleichnisse über Pokémons erzählt hätte anstatt über Schafe. Ich bin mir sicher, dass er das getan hätte. Jesus hätte es garantiert geschafft, den Menschen mit Hilfe von Pokémons etwas über das Reich Gottes zu vermitteln und Begeisterung für das Reich Gottes zu wecken.  „Das Reich Gottes ist wie ein Spiel, bei dem erst ein paar wenige Menschen anfangen, Pokémons zu fangen und viel Freude dabei haben, das sich dann aber über die ganze Welt ausbreitet", würde er vielleicht sagen. Ja, der christliche Glaube darf auch Spaß machen! Soll er sogar, wie ich finde, denn dann fällt es uns auch leichter, eine ähnliche Begeisterung für die Sache Jesu an den Tag zu legen wie Paulus. „Die „Sache Jesu braucht Begeisterte“ heißt es ja schließlich auch in einem Kirchenlied*!


Und die Sache Jesu hat ja schon Begeisterte, eine ganze Menge sogar und schon eine ganz lange Zeit. Ich bin mir sicher, dass diese Sache Jesu auch in ferner Zukunft noch Begeisterte haben wird, und zwar eine ganz Menge davon! Und da kann man zu Recht die Frage stellen: Was hat Christus, was Pokémon Go nicht hat?


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*(„Durch Hohes und Tiefes“ - Gesangbuch der Evangelischen Studierendengemeinde, Nr. 323)





Kommentare

  1. Ich habe gerade googeln wollen (so als Premierentagesgast, neuer Fan der Insel und Pokemonspieler), wieso es hier diverse interessante Pokestops gibt, aber kein einziges Pokemon - und bin hier auf dieser Seite gelandet. Großartige Predigt!
    Falls mal lobpreisender Krach in der Helgoländer Kirche gebraucht wird...
    Www.glademakers.de

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  2. Ich würde so gerne wissen, ob es auf Helgoland Pokemons gibt. Dann würde ich mir das Spiel glatt laden.

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    1. Ich selber habe nur via Lockmodul oder Rauch welche fangen können. Mir wurde gesagt, dass es hier welche gibt, aber nicht viele.

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