Ich komme ja nicht oft dazu, selber einfach nur Gottesdienst zu feiern. Schon gar nicht in meiner eigenen Kirche. Heute hat mir aber unser supertolles Team von "Kirche am Urlaubsort" alles aus der Hand genommen. Dass sie alles alleine vorbereiten wollten, wusste ich schon. Ich hatte dann gestern aber noch eine WhatsApp Nachricht auf das Handy meines Teamleiters geschickt, weil ich leicht nervös wurde, nachdem so gar keine Arbeitsaufträge an mich rausgegangen waren. (Leben die noch?) Ich hatte ganz scheinheilig die Kleiderordnung thematisiert und gefragt, ob ich denn überhaupt in Albe auftauchen müsse (so heißt das große weiße gottesdienstliche Gewand, das ich in der Regel anhabe), da die beiden ja sowieso die Hauptakteure seien. Als Kommentar kam zurück: "Wir sind morgen in Uniform, du hast frei." (Mit Unfiform waren die T-Shirts von "Kirche am Urlaubsort" gemeint.) Daraufhin wurde aus meiner Nervosität regelrechte Übelkeit, denn ich kann bekanntlich nichts so einfach aus der Hand geben. Schon gar nicht einen ganzen Gottesdienst!
Mein Magen hat sich dann aber ziemlich schnell beruhigt und ich hatte heute tatsächlich frei (bis auf das Schreiben der Abkündigungstexte, das Tischeschleppen für das Kirchencafé, das Austeilen von Gesangbüchern, das Fotosmachen für die Öffentlichkeitsarbeit, das Mutieren zu einem mobilen Info-Point usw.)
Das mit den Tischen hat mich auch echt genervt, weil ich am Ende mein liebevoll zusammengestelltes, sonntägliches "Ich bin mal ganz privat im Gottesdienst" - Outfit völlig durchgeschwitzt hatte. Die Stehtische standen noch im Gemeindehaus, weil wir sie dort für den Abend bei Kirchens gebraucht hatten. Da hatte ich sie auch schon selber hingeschleppt (zumindest einen Teil davon). Und dann dachte ich mir am ganz späten Donnerstagabend: Ich lasse die jetzt einfach mal hier stehen. Irgendjemand wird sich schon drum kümmern. Wissen ja alle, dass wir sie am Sonntag wieder in der Kirche brauchen. Diese Haltung funktioniert bei allen anderen Leuten immer sehr gut, wie ich über die Jahre herausgefunden habe. Jetzt wollte ich das selber auch unbedingt mal ausprobieren. Und: Es hat funktioniert! Irgendjemand hat sich tatsächlich um die Tische gekümmert! Ich!
Aber egal, irgendwann konnte ich mich dann doch entspannt auf der Kirchenbank zurücklehnen und den Gottesdienst genießen. Und der war toll! Einfach eine ganz runde Sache, was mein Team und Herr K. da veranstaltet haben!
Mir sind allerdings ein paar Dinge aufgefallen, die ich sonst nie mitkriege, weil ich viel zu beschäftig bin da vorne. Die vielen Leute, die zu spät zum Gottesdienst kommen, zum Beispiel. Ich habe denn auch meine küsternde Kirchengemeinderätin darauf angesprochen: "Heute kommen aber noch ziemlich viele Nachzügler." Und die meinte: "Das ist nicht nur heute so. Das haben wir jeden Sonntag." (Aha.) Das Spannende daran finde ich, dass es sich dabei nicht um Eltern mit Kindern gehandelt hat. Die verdächtigt man ja immer als Erste, dass sie ihre Kinder nicht rechtzeitig aus dem Bett kriegen - und angezogen und gefüttert und losgeschleift. Nein, die Eltern mit Kindern waren schon alle da. Pünktlich. Die Nachzügler waren Erwachsene, die eigentlich nur sich selber aus dem Bett kriegen, füttern, anziehen und losschleifen müssen. Wie gesagt: Spannend!
Dann ist mir aufgefallen wie klasse es ist, während des Gottesdienstes willenlos durch die Kirche zu laufen und Fotos zu machen. Liebe Eltern, liebe Großeletern, liebe Taufpaten, liebe Trauzeugen, Brautjungfern, sonstige Familienangehörige, Freunde, Profifotografen, oder einfach nur Gottesdienstbesucher: Ich kann euch ja so gut verstehen!!! Wenigstens habe ich mich sehr, sehr, sehr(!) bemüht, leise und ununaufdringlich zu sein und ich habe niemandem mein Handy direkt ins Gesicht gehalten. Blitz verwendet habe ich auch nicht. Ganz ehrlich!
Das war die Gottesdienstbesucherperspektive. Aus der Küsterperspektive ist mir aufgefallen, wie aufregend es ist, während des Vaterunsers die Glocke läuten zu dürfen. Mache ich ja sonst nie. Wäre auch blöd, von ganz vorne am Altar nach ganz hinten zum Glockenkasten zu spurten, die Glocke anzuschmeißen, nach vorne zu fetzen, um das Vaterunser zu beten, und dann wieder zurückzusausen, um die Glocke auszumachen. Das würde zu viel Unruhe reinbringen. Also macht das logischweise jemand anders.
Aber heute hatte ich die Chance dazu. Und Ich war so begeistert, dass meine küsternde Kirchengemeinderätin chancenlos in der Kirchenbank zurückblieb. Nach den Fürbitten meinte sie gerade noch: " Ach, jetzt kommt das Vaterunser. Ich muss die Glocken ..." Da stand ich schon ganz aufgeregt am Glockenkasten, faselte was von "Darf ich das machen? Oh bitte, lass' mich das machen!" und suchte hektisch in der Läuteordnung nach der Glockennummer für's Vaterunser (es ist die 5). Ich war so aus dem Häuschen, dass ich fast vergessen hätte, das Vaterunser mitzubeten.
Als der Gottesdienst zuende und das Kirchencafé in vollem Gange war, musste ich zwar leider schon wieder aus meiner Küster-, Konfi-, Gottesdienstbesucher-Rolle rausschlüpfen und rein in meine pastorale welche, aber auch das war völlig OK. Der kleine Ausflug in eine andere Perspektive war so, wie er war, gerade richtig.
Jetzt sitze ich mit Kaffee, Keksen und einem ganz wohligen Gefühl im Bauch an meinem Küchentisch und freue mich, dass Sonntag ist, und dass ich so ein bisschen frei habe!
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