Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass ich wegen dieser doofen Schafe nicht rechtzeitig im Büro war. Das sind ganz gemeine Viecher! Die haben es auf mich abgesehen! Die versuchen, meinen mühsam zusammengebastelten Terminplan durcheinander zu bringen! Das machen die doch mit Absicht!
Neulich hatte sich ein Schaf im Drahtzaun am Klippenrandweg verfangen. Sowas bemerke ich natürlich immer dann, wenn ich auf meiner morgendlichen Hunderunde unterwegs und sowieso schon viel zu spät dran bin. Hilfe musste her. Also sollte erstmal der nette Herr kontaktiert werden, der hier für die Pflege der Schafe zuständig ist. Dazu musste ich zum Telefonieren wieder nach Hause zurück, denn ich hatte mein Handy nicht mit. Bin dann pflichtschuldigst wieder an den Unglücksort, damit der nette Herr auch die Stelle finden konnte, wo das arme Tier feststeckte. Natürlich musste deshalb das Kirchenbüro erstmal geschlossen bleiben. Der nette Herr kam aber nicht. Und ich saß da am Klippenrandweg und versuchte, Fräulein Schaf zu beruhigen.
Ich wäre auch aus dem Häuschen, wenn ich da so mit den Beinen im Draht festhängen würde. Und wenn der Bock auch noch ständig versuchen würde, mich zu bespringen, weil die Gelegenheit ja günstig ist und ich sowieso nicht weg kann. Ich verbachte meine Bürozeit also mit dem Versuch, Herrn Schaf von seiner gefangenen Geliebten fernzuhalten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich Fräulein Schaf nicht noch mehr verheddert.
Der nette Herr, der hier die Schafe pflegt, kam immer noch nicht. Zum Glück tauchte irgendwann ein anderer netter Herr auf, der morgens seine Runde übers Oberland dreht, die Mülleimer ausleert und bei der Gelegenheit auch Zäune flickt. Mit seiner tatkräftigen Unterstützung bekamen wir Fräulein Schaf endlich frei. Und ich war endgültig zu spät dran für meine Bürostunden. Seufz. (Soviel zum Thema "Die Pastorin ist ja nie da")
Auch heute war ich wieder zu spät im Büro. Wegen eines Schafs! Wieder morgendliche Hunderunde, wieder Schaf in Bedrängnis, wieder kein Handy dabei (Ich weiß: manchmal ich bin genauso doof wie die Schafe). Heute war es ein Schaf auf dem Schafstalldach. Ich sag' doch Schafe sind doof. Eigentlich müssen die doch wissen, dass sie IN den Stall gehören und nicht OBENDRAUF. Da stand es nun und blökte herzzerreißend übers Oberland. Ich wollte schon mein Handy zücken, um meinen Feuerwehrkameraden eine WhatsApp zukommen zu lassen mit einem Foto und der Nachricht: Sagt mir bitte, bitte, dass das da von alleine wieder runterkommt!" Ich musste dann aber, wie gesagt, feststellen, dass ich mal wieder kein Handy dabei hatte.
Ich war ratlos und fragte mich: Wie kriegen wir die Kuh jetzt vom Eis? Beziehungsweise das Schaf vom Dach? Eine Kuh vom Dach holen musste die Feuerwehr hier ja auch schon, aber das war leider vor meiner Zeit. Sonst hätte ich vielleicht gewusst, wie man das macht und mich alleine drum kümmern können. Ich entschloss mich jedenfalls, die Hunderunde abzukürzen, das Handy zu holen und nochmal zum Stall zu laufen, um mir die Situation genauer anzusehen. Als ich wieder vor Ort war, war das Schaf nicht mehr auf dem Dach. Was für ein Glück! Es ist von alleine wieder runter gekommen. Juhu! Schafe sind zwar doof, aber offensichtlich doch bessere Kletterer als Kühe. Und ich? Ich kann zwar klettern, bin aber doof genug, ständig mein Handy zu vergessen, wenn Schafe in Not sind, und so meine Bürozeiten nicht einhalten zu können. (Immerhin habe ich es noch rechtzeitig zur Dienstbesprechung geschafft.)
Obwohl: So doof können unsere Schafe eigentlich gar nicht sein. Sie treiben sich nämlich oft genug auf dem Schulhof herum. Gärtnerisch fachkundig sind sie auch. Zumindest werden sie mit schöner Regelmäßigkeit auf dem Friedhof gesichtet, wo sie sehr akribisch den Pflanzenwuchs zurückstutzen. Besonders rote Tulpen haben es ihnen angetan. Bei so viel Bildungshunger und Fachkompetenz in der Landschaftspflege kann man doch nicht von doofen Schafen sprechen, oder?
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